5 Fragen an ... Philipp Blom

5 Fragen an ... Philipp Blom

Ihre letzten Bücher beschäftigten sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit den Katastrophen, die im Gefolge des Klimawandels drohen. Und jetzt Hoffnung?
Ja, eigentlich ein reiner Akt der Selbstprovokation. Aber im Ernst: Mich fragen nach Vorträgen viele, besonders junge Menschen immer wieder, ob es überhaupt noch etwas zu hoffen gibt und ich wollte diese Frage ernst nehmen und so ausführlich beantworten, wie sie es verdient. Und es ist nicht einfach. Hoffnung ist etwas anderes als ein Recht auf eine gute Zukunft oder sogar als Optimismus. Hoffnung eröffnet einen weiteren Horizont, glaube ich.

Wenn wir den Historiker fragen: Gab es irgendwann eine Zeit oder eine Kultur, die gar keine Hoffnung kannte?
Das kommt darauf an. Die meisten Kulturen der Welt glaubten nicht, dass die Zukunft besser sein wird als die Vergangenheit, dass es so etwas wie Fortschritt gibt. Auch die alten Griechen lebten noch einer zyklischen Welt in der nichts sich zu verändern schien. Das wurde erst mit dem Messias der Juden und dann besonders mit dem Christentum wichtig. Hoffnung als Hoffnung, dass die Zukunft besser wird, ist eine christliche und dann aufgeklärte und kapitalistische Idee. Viele Sprachen, wie zum Beispiel das Chinesische, hatten lange kein Wort für »Hoffnung«. Aber gleichzeitig blicken Menschen in allen Kulturen und auf allen Kontinenten mit banger Erwartung in die Zukunft, bekommen Kinder und haben im besten Fall eine Art Zuversicht.

Man kann sich an die jüngere Vergangenheit als an eine Abfolge von Katastrophen erinnern oder an eine Zeit, die vielen Menschen enorme Fortschritte brachte. Warum sind wir auf die Katastrophen fixiert, warum fällt es uns so schwer, zu hoffen?
Hoffen heißt, sich in einer sinnvollen Zukunft zu sehen. Unsere Gesellschaften tun sich sehr schwer damit, uns noch eine plausible Geschichte darüber zu erzählen, wer wir sind und was wir hier tun (sollen) und wo es hingehen soll. Religion ist verblasst und die großen Ideologien haben ihre Versprechen nicht eingehalten. Unter solchen Umständen, umgeben von Hyperkonsum und technologischer Veränderung, ist es sehr schwer hoffnungsvoll zu leben.

Wo soll, wo kann unsere Gesellschaft Hoffnung schöpfen?
Erst mal in der menschlichen Resilienz. Menschen sind durch die erstaunlichsten Dinge hindurchgekommen, haben Unglaubliches überlebt, das gibt Mut und Entschlossenheit, denn eine Alternative gibt es nicht. Zum Aufgeben ist dieses eine Leben das wir haben einfach zu erstaunlich, zu schön und zu reich. Etwas pragmatischer: Ich treffe immer wieder junge, kluge, engagierte Menschen, Wissenschaftler:innen, Aktivisten und sogar Politikerinnen, die mit ungeheurer Energie, Fantasie und Beharrlichkeit Dinge weiterbringen – und auch gute Dinge können plötzlich und unverhofft passieren.

Können Sie noch hoffen?
Mir hat einmal ein Umweltaktivist gesagt, im Leben jedes Aktivisten gäbe es drei Phasen: Optimismus, Pessimismus und Alkoholismus. Für letzteres fühle ich mich noch zu jung. Hoffnung ist dann am einfachsten, wenn ihr Ziel jenseits des eigenen biologischen Horizonts liegt, in einer größeren Geschichte, in die ich mich investieren kann. Und wenn man eine Geschichte hat, einen Platz in einer imaginierten Zukunft, kann man auch hoffen.

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