5 Fragen an ... Maximilian Steinbeis

5 Fragen an ... Maximilian Steinbeis

In der Schule haben wir gelernt, dass das Grundgesetz den demokratischen Rechtsstaat gegen seine Feinde schützt. Stimmt das gar nicht?
Das Grundgesetz kann uns nicht schützen. Umgekehrt vielleicht schon.

Worin besteht heute die größte Bedrohung für den demokratischen Rechtsstaat?
Der autoritäre Populismus erzählt uns, dass es ein »wahres Volk« gibt, das vom System und den Eliten die ganze Zeit um seine Recht gebracht wird, souverän und mit sich selbst identisch zu sein. Und er setzt die Institutionen des demokratischen Rechtsstaats strategisch dazu ein, diese Erzählung nach Kräften wahr zu machen: durch Obstruktion und Blockade, solange er noch in der Minderheit ist, und durch Elimination rechtsstaatlicher Kontrolle, demokratischen Wettbewerbs und kritischer Öffentlichkeit, sobald er an der Macht ist. Diese Strategie ist erschreckend erfolgreich, überall auf der Welt, aber auch in Deutschland. Die größte Bedrohung besteht darin, dass die politische Mitte anfängt, sie zu kopieren.

Was können wir von anderen Ländern lernen, deren Demokratie bereits Schaden genommen hat?
In anderen Ländern kann man sehen, wohin der autoritär-populistische Weg führt, nämlich in ein Regime, das auf demokratischem Wege faktisch nicht mehr abwählbar ist. In Ungarn ist institutionell dafür gesorgt, dass außer Viktor Orbáns Fidesz-Partei niemand anders regieren kann. Das liegt nicht daran, dass die Ungar:innen keine guten Demokraten sind, sondern ist das Ergebnis einer Strategie. Viktor Orbán und seine Leute sind Juristen. Und offenbar keine schlechten.

Wie sind Sie und Ihr Team bei der Recherche vorgegangen?
Wir haben uns Thüringen als Untersuchungsgegenstand vorgenommen, weil dort die Parteienlandschaft besonders instabil und die Perspektive einer autoritär-populistischen Regierungsbeteiligung besonders real ist. Dort haben wir mit Menschen gesprochen: mit Menschen aus der Politik, aus der Verwaltung, aus der Justiz, aus der Zivilgesellschaft. Wir haben sie gefragt, welche Verwundbarkeiten sie sehen in der Demokratie in Thüringen, und was sie bräuchten, um besser gewappnet zu sein. Auf dieser Basis haben wir Szenarien gebildet, wie die autoritär-populistische Übernahme aussehen könnte – und was man tun kann, um ihren Erfolg zu verhindern.

Was können wir tun?
An manchen Stellen sind die Institutionen verwundbarer, als sie es sein müssten, und könnten und sollten resilienter gemacht werden. Dafür müssen Gesetze und Verfassungen geändert werden, solange die dazu nötigen Mehrheiten noch vorhanden sind. Aber noch wichtiger ist, dass sich die Gesellschaft insgesamt klarmacht, welches Spiel da gespielt wird und wie sich jede:r Einzelne auf das vorbereiten kann, was auf ihn oder sie zukommt, wenn die autoritären Populisten Macht über die Institutionen der Verfassung erlangen. Wenn man sich mit dieser Frage erst beschäftigt, wenn es so weit ist, dann ist es zu spät.

Newsletter
Newsletter