5 Fragen an ... Maria Bidian

5 Fragen an ... Maria Bidian

Liebe Maria Bidian, Ihr Debütroman »Das Pfauengemälde« ist eine wunderbare, mal melancholische, mal witzige, mal spannende, jedenfalls aber eine sehr persönliche Familiengeschichte. Gibt es reale Vorbilder für die Tanten und Cousinen und Großcousins?
Ich bin selbst mit einem rumänischen Vater und einer deutschen Mutter aufgewachsen und habe eine große Familie in Rumänien, die leidenschaftlich, herzlich, fordernd ist und der Familie im Roman ähnelt, sich aber gleichzeitig auch von ihr unterscheidet. Von der eigenen Familie ausgehend einen Roman zu schreiben, ist eine große Herausforderung. Es gibt unglaublich viel Material, Erinnerungen, Emotionen. Alles ist so persönlich und nah. Immer wieder musste ich mir die Frage stellen, was möchte ich eigentlich erzählen? Worum geht es mir wirklich? Am Ende sind die Charaktere im Buch zwar von meiner Familie inspiriert, haben sich aber zu eigenständigen literarischen Figuren entwickelt, die so handeln, wie sie handeln, weil es zu der Geschichte passt, die ich erzählen möchte.


Ana, der Erzählerin, geht es weniger um das große Haus, das die Familie zurückbekommen soll, oder um Geld, sondern um ein Gemälde, von dem ihr der Vater, der zwei Jahre vorher unter mysteriösen Umständen verstorben ist, immer wieder erzählt hat. Was bedeutet dieses Bild für Ana?
Das Gemälde gehört zu der geheimnisvollen Welt der Familienlegenden, die Anas Vater Nicu immer wieder erzählt. Es ist ein altes Familienerbstück, das für Nicu alles symbolisiert, was er durch die Enteignung der Familie verloren hat. Ana ist als Kind von den Erzählungen fasziniert, als Erwachsene glaubt sie nicht mehr daran und weigert sich nach dem Gemälde zu suchen, als Nicu sie darum bittet. Also fährt Nicu selbst nach Rumänien, wird einige Wochen später ohnmächtig in einer Berghütte gefunden und stirbt. Was sich Ana nicht vergeben kann. Als sie zwei Jahre später erfährt, dass die Familie den enteigneten Besitz tatsächlich zurückerhält, sieht sie es als zweite Chance. Sie will das tun, was sie zuvor nicht getan hat, und hofft, den Schmerz in sich loszuwerden, wenn sie das Gemälde zurückbringt und das beendet, was ihr Vater nicht beenden konnte.


Der Roman spielt in der Gegenwart. Politik blitzt da und dort auf, steht aber nie im Zentrum. Es gibt zum Beispiel Demonstrationen in Bukarest. Wie wichtig ist Ihnen dieser gesellschaftliche Kontext?
Ich erlebe Rumänien als ein Land, in dem gerade unglaublich viel passiert. In den letzten Jahren haben sich viele Orte extrem verändert, die Gesellschaft ist dabei, die eigene Vergangenheit zu verstehen und sich zu entscheiden, in welche Richtung sie in Zukunft gehen will. Ana geht es ähnlich. Auch sie ist zwischen Vergangenheit und Zukunft hin- und hergerissen. Sie fragt sich, wie sehr die alten Geschichten ihr Leben beeinflussen und wer sie ohne diese Geschichten eigentlich ist. Auf ihrer Reise entdeckt sie Rumänien neu, lernt Menschen kennen, begibt sich zu Erinnerungsorten und auf neue Abenteuer, wird hineingeworfen in die Familienpolitik im Kleinen und die Landespolitik im Großen, muss sich dazu verhalten und ihre eigene Rolle finden.


Sie erzählen in einer sehr gegenwärtigen Sprache und in einer sehr heutigen Welt eine Geschichte, die auch weit zurück in die Vergangenheit reicht. »Das Pfauengemälde« ist Ihr erster Roman. Haben Sie Vorbilder?
Ich habe mich während meines Schreibprozesses mit Autor:innen auseinandergesetzt, die in ihren Texten von Verlust und Trauer erzählen. Mit analysierenden, dokumentierenden Texten wie von Annie Ernaux und Didier Eribon, mit fantastischen Büchern wie von Ivna Žic und Sascha Marianna Salzmann und vielen anderen Texten, wie Terézia Moras Frankfurter Poetik-Vorlesungen, in denen sie sich fragt, wie sie über Wunden und die eigene Familie schreiben kann. Insgesamt bewundere ich Autor:innen, die es schaffen, zeitlose Themen als spannende, heutige Geschichten zu erzählen. Die mit Sprache experimentieren und Bilder erschaffen, die schön und klar sind. Autor:innen, die Bücher schreiben, die wir immer wieder lesen wollen und die uns jedes Mal eine neue Ebene entdecken lassen. Die eine Brücke in die Vergangenheit bauen und uns helfen, uns selbst und die Welt besser zu verstehen.


Welchen Satz würden Sie gerne von den Leser:innen Ihres ersten Buches hören?
Ich würde mich sehr freuen, wenn sie der Text berührt hat. Wenn sie Rumänien jetzt anders sehen als zuvor. Sie sich in einer der Figuren wiedererkannt und etwas über sich selbst verstanden haben. Es diesen einen Satz im Roman gibt, der sie nicht mehr loslässt. Ihr eigener Verlust, ihre eigene Trauer durch den Text ein kleines bisschen leichter geworden ist. Wenn sie das Buch einfach gerne gelesen haben.

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