5 Fragen an ... Kim Hye-jin

5 Fragen an ... Kim Hye-jin

Im Zentrum deines Romans stehen eine Katze, ein Kind und eine Therapeutin – rein zufällig treffen sich diese drei in den Straßen von Seoul. Was verbindet sie miteinander?
Ihnen ist gemein, dass sie eine schwierige Phase in ihrem Leben durchlaufen. Jede von ihnen kämpft auf ihre Weise mit der Außenwelt, um zu überleben. Gleichzeitig stehen sie vor der Herausforderung, ihre jeweilige Lage akzeptieren und mit dem, was sie sind, Frieden schließen zu müssen. Diese situationsbedingte Gemeinsamkeit ist es, die sie zusammenführt.


Die Psychotherapeutin Hae-Su ist einer Schriftstellerin nicht unähnlich: Ihr ganzes berufliches Leben lang hat sie Worte als ihr wichtigstes Werkzeug betrachtet. Was hat dich an Hae-Sus Vertrauensverlust in die Wirkmacht der Worte interessiert?
Vor dem Vorfall war Hae-Su ein Mensch, der die Unvollkommenheit der Sprache nicht akzeptierte. Sie war der festen Überzeugung, dass man mit Worten alles ausdrücken und erklären kann. Nach dem Vorfall wurde ihr die Unvollkommenheit der Sprache schmerzlich bewusst. Das bedeutet auch, dass Hae-Su den Formen nonverbaler Kommunikation, die nur mit tiefer Konzentration verstanden werden können (wie z. B. Mimik und Körpersprache), mehr Aufmerksamkeit schenkt. In vielen Momenten des Romans merkt man, dass die nonverbale Kommunikation die wahrhaftigere ist.


In deinem Roman spielen Filmszenen eine wichtige Rolle. Welches Potential siehst du in Intertextualität?
Ich habe während des Schreibens mehrmals den Film Nomadland angesehen. Für mich sind die Welt des Alltags und die Welt der Fiktion voneinander getrennt und manchmal ist es schwierig, den Weg aus der Alltagswelt in die Welt der Fiktion zu finden. Dieser Film war für mich eine Tür. In vielen Momenten erinnerte er mich an die Atmosphäre und die Stimmungen meines Romans, und ich denke, dass die charakteristischen Punkte des Films, die Art und Weise, wie er vieles ungesagt lässt, wie er auf Worte zu starren scheint, anstatt sie auszusprechen, mir beim Schreiben des Romans geholfen hat.


Ein Platz mit einem Gingkobaum wird für Hae-Su zu einem Ort der Besinnung und ist gleichzeitig Schauplatz einer spektakulären Rettungsaktion. Hat dieser Baum, dessen Blüte wir im Verlauf des Romans miterleben, für dich eine besondere Bedeutung?
Später im Roman entdeckt Hae-Su, dass die hypnotisierende Wirkung des grünen Ginkgobaums, zu dem sie hinaufschaut, in Wirklichkeit durch einen zweiten, dahinterstehenden Baum entsteht. Sie erkennt, dass selbst das Grün des einen Baumes nur mit Hilfe anderer Bäume möglich ist. Ist unser Leben nicht ähnlich? Die Dinge, die uns geschenkt werden – die alltäglichen und die außergewöhnlichen – werden alle durch die Hilfe anderer ermöglicht, im Großen wie im Kleinen. Ich denke oft, dass unsere Leben voneinander abhängen und dass wir einander etwas schulden.


In der Gesellschaft, die du beschreibst, werden Fehler aufs Härteste geahndet. Braucht es eine neue Fehlerkultur?
Heutzutage scheinen Menschen immer schneller über andere urteilen zu wollen, vielleicht, weil wir immer mehr Informationen über sie haben ohne sie persönlich zu kennen (je weniger wir wissen, desto besser). Natürlich ist es einfach, schnelle Urteile zu fällen, das gibt uns ein Gefühl von Sicherheit. Aber ich bin mir nicht sicher, ob wir immer genug über jemanden wissen, um uns tatsächlich eine Meinung bilden zu können. Was wir wissen, ist immer begrenzt, nicht wahr? Vielleicht ist es hilfreich, das, was wir nicht verstehen, unberührt zu lassen und uns stattdessen in Geduld zu üben, bevor wir Urteile fällen. Sind wir nachsichtig oder streng, wenn es um die Fehler anderer geht? Diese Frage hat viel damit zu tun, wie wir unsere eigenen Fehler akzeptieren und verzeihen.

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